Rundbrief

Rundbrief 3/2020

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen
in der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im
Deutschen Anwaltverein,

Corona mit seinem Shut Down und den Ausgangssperren bestimmt derzeit unser Leben.

Wenn man die Entwicklung verfolgt, „reibt man sich als Insolvenzverwalter/Sanierer“ bisweilen die Augen. Der Insolvenzverwalter/Restrukturierung ist geschult, methodisch mit Krisen umzugehen. Dabei werden regelmäßig folgende Schritte abgearbeitet:

  1. Schonungslose Krisenursachenanalyse;
  2. Feststellung des Krisenstadiums, der Krisenart (auch volkswirtschaftlich z.B. Angebots- und Nachfragekrise);
  3. Ermittlung der maßgeblichen Treiber (Kosten, Liquidität, Zeit etc.) zur Beeinflussung der Maßnahmen;
  4. Ermittlung eines Leitbilds der Sanierung;
  5. Szenarioanalyse der unterschiedlichen Optionen;
  6. Ressourcenermittlung sachlich, finanziell, HR, etc..;
  7. Festlegung und Aufbau eines integrierten Sanierungsplans;
  8. Aufstellung eines Sanierungsteams;
  9. Umsetzung, Festlegung Milestones, Kontrolle, Dokumentation;
  10. Change Management.

Diese Maßnahmen sind auch für die gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung erforderlich. Nur dann, wenn die Eingriffe geeignet, erforderlich (im Sinne des geringst möglichen Eingriffs) und zumutbar sind, sind sie gerechtfertigt. Darauf aufbauend müssen wir Strategien entwickeln, um die Eindämmung der Epidemie mit der Fortsetzung wirtschaftlicher Tätigkeit zu verbinden.

Der Shut Down bewirkt erhebliche, existenzielle Einschränkungen nicht nur für die Unternehmen, die nicht öffnen können. Restaurantbetrieben, aber auch Handelsbetrieben, die ihre Saisonwaren nicht vertreiben können, fehlt damit die notwendigen Liquidität für den Erwerb zukünftiger Waren.

Durch einen längeren Shut Down drohen Lieferketten zu reißen.

Shutdown und Finanzbedarf sind konzentrische Röhren. Der Finanzbedarf ist Folge des Shut Down, dieser ist Folge der Corona Pandemie, welche wiederum maßgeblich durch den Umgang damit gesteuert wird.

Die vom Bundestag beschlossenen Maßnahmen, Stabilisierungsfondsgesetz und COVInsAbmG drohen bei längerer Dauer des Shut Down ihr Ziel zu verfehlen. Ohne die Wirtschaft gibt es keinen funktionierenden Staat. Der Staat kann nicht das Sozialprodukt ersetzen, das jetzt wegbricht.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30. September 2020, die durch Rechtsverordnung bis zum 31. März 2021 verlängert werden kann (§ 4 COVInsAbmG), kann einen maßgeblichen Vertrauensverlust in der Wirtschaft bewirken. Wenn der Lieferant nicht mehr sicher sein kann, dass sein (zahlungsunfähiger) Auftraggeber/Kunde die Ware auch bezahlt, wird er auf Vorkasse umsteigen. Dieses wird eine erhebliche Belastung der Produktivität, die Gefahr des Zerreißens von Lieferketten, der Verlust der „Just in Time Produktion“ sowie in der Folge eine Verschärfung der Rezession hervorrufen.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger George Akerlov hat in seinem Essay „The Market for Lemons“ ausführlich beschrieben was passiert, wenn der Markt kein Vertrauen mehr in die Marktfunktionen hat, Transparenz fehlt und Betrüger nicht aus dem Wirtschaftsgeschehen entfernt werden: Der Markt bricht zusammen.

Wenn nun aber Marktfunktionen nachhaltig und langfristig außer Kraft gesetzt werden, droht nicht nur eine wirtschaftliche Depression, sondern auch eine „Zentralverwaltungswirtschaft“.

Es sind spannende Zeiten, die von allen Beteiligten ehrliche intellektuelle Kraftanstrengungen, den Diskurs über die bestehenden Ursache-/Wirkungsketten und gebotene Lösungsszenarien erfordern.

Die Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung stellt sich diesen Herausforderungen und bietet in dieser Zeit ihren Mitgliedern und Interessierten mit dem DIT Online ein weiteres Format für die aktuellen rechtlichen und volkswirtschaftlichen Themen an.

Wie bereits in unserem vorhin versandten Rundschreiben angekündigt, befasst sich die Veranstaltung am 8. April 2020 mit einem sehr aktuellen Thema:

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Insolvenz und Sanierung

Mittwoch, 08. April 2020, 14.00 bis 16.30 Uhr

  • Prof. Dr. Christoph Thole, Universität Köln: Die COVID-19-Pandemie und die Folgen für das Insolvenzrecht – was ist jetzt wichtig?
  • Stefan Schilbe, Chefvolkswirt, HSBC: Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die deutsche Wirtschaft – Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Rezession, Geld- und Fiskalpolitik

Anmelden können Sie sich hier.

Diesen Online-Angeboten werden zeitnah weitere folgen, damit Sie auch auf diesem Wege Ihre Fortbildungsverpflichtungen erfüllen können.

Ich wünsche Ihnen in diesen schwierigen Zeiten die Kraft und Gesundheit Ihre Ziele umzusetzen.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen,
Rechtsanwalt Jörn Weitzmann
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung
im Deutschen Anwaltverein

Berlin, den 2. April 2020

 

Rundbrief vom

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