Pressemitteilung

Nr. 08/24: ARGE Insolvenzrecht & Sanierung äußert sich zur Diskussion um das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses für StaRUG-Verfahren

Das Anwendungsverhältnis zwischen StaRUG und Gesellschaftsrecht wird aktuell intensiv von der juristischen Fachwelt diskutiert – aber auch die Praxis beschäftigt das Thema. Dem vorangegangen sind zahlreiche Gerichtsentscheidungen sowie öffentlich diskutierte Sanierungsfälle.

Berlin, 2. Oktober 2024 – Um die Gesellschaft vor einer drohenden Insolvenz zu schützen, kann ein Geschäftsführer mittels des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG) eine Sanierung durchführen. Bei einer wachsenden Zahl von praktischen Fällen unter dem seit 2021 geltenden Gesetz diskutieren Rechtsprechung, Praxis und Wissenschaft den Anwendungsvorrang zwischen StaRUG und Gesellschaftsrecht. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob es zur Einleitung und Durchführung von Sanierungsmaßnahmen vorab eines Beschlusses der Gesellschafter bedarf. Gesetzlich ist dies nicht ausdrücklich geregelt, weshalb es an einer eindeutigen Richtschnur für die Geschäftsführung fehlt, wie bei einem Interessenkonflikt zwischen Gläubigern und Gesellschaftern vorzugehen ist.

Befeuert wird die gegenwärtige Debatte von divergierenden Gerichtsentscheidungen sowie dem prominenten Sanierungsfall der Varta AG. In der sanierungsrechtlichen Praxis werden die Auswirkungen besonders deutlich, wenn Gesellschafter durch eine Restrukturierung nach dem StaRUG einen Verlust ihrer Anteile hinnehmen müssen. Durch den Varta-Fall ist das Thema aktuell einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Der Batteriehersteller soll durch einen Sanierungsplan nach dem StaRUG vor der drohenden Zahlungsunfähigkeit gerettet werden. Private Aktionäre von Varta würden dabei durch die vorgesehene Herabsetzung des Grundkapitals „auf null“ und einen Ausschluss vom Bezug der neu geschaffenen Aktien ihre Gesellschafterstellung endgültig verlieren.

Mit dem Beschluss des OLG Stuttgart (Az. 20 U 30/24) hat sich am 21. August 2024 erstmals ein Oberlandesgericht positioniert und entschieden, dass die Zustimmung der Gesellschafter für die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens nicht erforderlich sei, sofern kein milderes Mittel zur Verfügung stehe, um die drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Damit setzt das Gericht ein klares Zeichen für die notwendige Vorrangigkeit des Interessenschutzes der Gläubiger. Die gerichtliche Begründung: Die Anwendung eines allein gesellschaftsrechtlichen Maßstabes auf Unternehmen, die kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stünden, würde insgesamt zu einer Aushöhlung des Anwendungsbereichs des StaRUG führen und somit dem Zweck einer Restrukturierung zuwiderlaufen.

„Im Ergebnis kann die Geschäftsführung entsprechend der zutreffenden OLG Stuttgart Entscheidung mittels Einleitung eines überwiegend aussichtsreichen StaRUG-Verfahrens und durch Unterstützung der maßgeblichen Gläubiger die unmittelbar bevorstehende Überschuldung überwinden“, erklärt Andreas Ziegenhagen, Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sowie Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der ARGE Insolvenzrecht & Sanierung.

Dr. Christoph Morgen ist ebenfalls Rechtsanwalt und Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der ARGE Insolvenzrecht & Sanierung. Mit seinen praktischen Erfahrungen im Umgang mit komplexen Sanierungsverfahren fordert er: „Wir haben mit der Entscheidung des OLG Stuttgart eine praktikable Lösung für das viel diskutierte Verhältnis zwischen StaRUG und Gesellschaftsrecht. Das Gericht stärkt die Gläubigerposition und macht damit deutlich, dass es sich bei dem Verfahren nach StaRUG um ein effizientes Sanierungsinstrument handelt, das unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen stärker wirkt als das Gesellschaftsrecht. Dem Gesetzgeber ist hier im Rahmen der im kommenden Jahr ohnehin anstehenden Evaluierung des StaRUG eine Klarstellung zu empfehlen.“

Dem Thema widmen sich auch vertieft in der aktuellen Folge des ARGE-Podcasts Dr. Susann Brackmann, Dr. Ulrich Klockenbrink, Prof. Dr. Sebastian Mock, Prof. Dr. Christoph Seibt und Andreas Ziegenhagen unter der Moderation von Dr. Christoph Morgen.

Die Podcast-Folge zum Nachschauen finden Sie hier.

Über die Arbeitsgemeinschaft:

Die Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV) ist ein Zusammenschluss von über 1.400 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, deren berufliches Interesse sich besonders auf das Insolvenzrecht und die Sanierung von Unternehmen richtet. Die Arbeitsgemeinschaft ist seit November 1999 als Arbeitsgemeinschaft im DAV organisiert. Sie ist bundesweit die größte deutsche Vereinigung von Insolvenzrechts- und Sanierungsexperten. Der Deutsche Insolvenzrechtstag, den die Arbeitsgemeinschaft 2004 ins Leben gerufen hat, ist die größte insolvenzrechtliche Veranstaltung in Europa. Darüber hinaus veranstaltet die Arbeitsgemeinschaft seit 2012 einmal jährlich den Europäischen Insolvenzrechtstag / European Insolvency & Restructuring Congress (EIRC) in Brüssel.

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