Berlin, 5. Juni 2024 – Die FTI Touristik GmbH hat am 3. Juni 2024 Insolvenz angemeldet. Die Gesellschaft gehört zur FTI Group, dem drittgrößten Reiseveranstalter Europas. Das zuständige Amtsgericht München hat das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet und den Münchener Rechtsanwalt Axel W. Bierbach, Mitglied der ARGE Insolvenzrecht & Sanierung sowie Beirat in deren Europagruppe, zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.
Dr. Rainer Eckert, Co-Vorsitzender der ARGE Insolvenzrecht & Sanierung, erklärt hierzu: „Das Insolvenzverfahren dient der Sicherung der Forderungen aller Gläubiger und hat überdies eine wichtige Ordnungsfunktion in unserem Wirtschaftssystem. Wenn ein Unternehmen erkennt, dass es voraussichtlich nicht mehr in der Lage sein wird, alle seine Verbindlichkeiten zu erfüllen, ist es gesetzlich dazu verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Der vom Gericht einzusetzende Verwalter hat dann die Aufgabe, das noch vorhandene Vermögen zu verwerten und gleichmäßig auf die Gläubiger zu verteilen. Hierdurch wird sichergestellt, dass alle Betroffenen gleichbehandelt werden und nicht manche vollkommen befriedigt werden, während andere leer ausgehen.“
Es handelt sich bereits um die zweite Insolvenz eines großen Reiseanbieters in den vergangenen Jahren. Erst 2019 hatte das britische Unternehmen Thomas Cook Insolvenz angemeldet und konnte sich trotz erheblicher staatlicher finanzieller Unterstützung letztlich nicht halten. Viele Reisende konnten ihren Urlaub nicht antreten, Tausende saßen im Ausland fest. Daraufhin wurde am 25. Juni 2021 das „Gesetz über die Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds und zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften“ verabschiedet, welches auch der Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie dient. Die in Umsetzung des Gesetzes gegründete Deutscher Reisesicherungsfonds GmbH unterhält Absicherungsverträge mit einer Vielzahl von Reiseunternehmen, die den Reisenden die Rückzahlung ihres Reisepreises im Falle einer Insolvenz sichern sollen.
Der Reisesicherungsfonds tritt jedoch entsprechend seines gesetzlichen Auftrags nur für Pauschalreiseverträge ein, betrifft also nur solche Reisen, die mindestens zwei verschiedene Arten von Reiseleistungen umfassen (§ 651a Abs. 2 S. 1 BGB). Reisende, die bei der FTI Touristik GmbH nur eine Reiseleistung, etwa nur den Hotelaufenthalt, gebucht haben, sind auf das allgemeine insolvenzrechtliche Verfahren angewiesen. Allerdings sollen gestrandete Reisende, die ihre Urlaubsunterkünfte verlassen müssen oder an Bahnhöfen und Flughäfen festsitzen, bei der Rückreise von der Deutscher Reisesicherungsfonds GmbH unterstützt werden.
„Das Risiko einer Insolvenz des Vertragspartners trägt grundsätzlich jede Vertragspartei selbst – für Pauschalreiseverträge fängt die Deutscher Reisesicherungsfonds GmbH dieses Risiko auf, sodass es den Verbraucher nicht trifft. Vor der Gesetzesänderung 2021 sind Verbraucher auch bei Pauschalreisen größtenteils auf bereits gezahlten Reisekosten sitzen geblieben – das Gesetz kommt nun erstmalig zur Anwendung und schützt die Reisenden vor den mit einem Insolvenzverfahren verbundenen Unannehmlichkeiten und Risiken“, erklärt Dr. Rainer Eckert.
Er führt fort: „Es ist dennoch richtig, dass der Bund nicht abermals mit Millionenbeträgen eingreift, denn gerade in der Insolvenz eines Unternehmens liegt eine Folge des für unsere Marktwirtschaft essenziellen Wettbewerbes: Am Markt haben nur solche Unternehmen Bestand, die wettbewerbsfähig sind und in der Regel ohne staatliche Unterstützung auskommen. Das Insolvenzrecht gibt uns im Zweifel die notwendigen Werkzeuge an die Hand, um ein Unternehmen nach Möglichkeit zu sanieren und wieder in den Markt zu integrieren.“
Die FTI Touristik GmbH hat nach entsprechender Anordnung des Gerichts – mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters – Ansprüche aus geschlossenen Reiseverträgen zu erfüllen. Das Unternehmen hat angekündigt, bereits gebuchte Reisen umfassend abzusagen und die sich im Ausland befindlichen Passagiere zurückzubefördern.
Sofern, was zu erwarten ist, in drei Monaten das Hauptverfahren auf das vorläufige Insolvenzverfahren folgen wird, werden alle Forderungen aus den Reiseverträgen zu Insolvenzforderungen. Sie können ab diesem Zeitpunkt nur im Rahmen des Verfahrens und nur aus der Insolvenzmasse befriedigt werden. Diese genügt regelmäßig nicht zur Erfüllung aller Insolvenzforderungen, weshalb die Verbraucher, für die der Reisesicherungsfonds nicht eintritt, auf Teilen ihres Reisepreises sitzen bleiben werden. Pauschalreisende sollten sich schnellstmöglich direkt beim Reisesicherungsfonds melden und dort ihre Ansprüche geltend machen. Für die Betroffenen gibt es eine kostenfreie Hotline: +49 (0) 89 710 45 14 98.
Zur wirtschaftlichen Lage der FTI Touristik GmbH haben insbesondere erheblichen Einnahmeeinbußen im Rahmen der Corona-Pandemie beigetragen. Das Unternehmen hatte aus dem staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) Beihilfen in Höhe von ca. 600 Millionen Euro erhalten, welche bislang nur in zweistelliger Millionenhöhe zurückgezahlt wurden. Die Bundesregierung hat bereits angekündigt, die FTI Touristik GmbH nicht mit einem weiteren Überbrückungskredit unterstützen zu wollen. Aus der Cook-Insolvenz hat man offenbar seine Lehren gezogen und beim Auswärtigen Amt einen Krisenstab eingerichtet, der Urlaubern die Heimreise erleichtern soll.
Über die Arbeitsgemeinschaft:
Die Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV) ist ein Zusammenschluss von über 1.400 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, deren berufliches Interesse sich besonders auf das Insolvenzrecht und die Sanierung von Unternehmen richtet. Die Arbeitsgemeinschaft ist seit November 1999 als solche im DAV organisiert. Sie ist bundesweit die größte deutsche Vereinigung von Insolvenzrechts- und Sanierungsexperten. Der Deutsche Insolvenzrechtstag, den die Arbeitsgemeinschaft 2004 ins Leben gerufen hat, ist die größte insolvenzrechtliche Veranstaltung in Europa. Darüber hinaus veranstaltet die Arbeitsgemeinschaft seit 2012 einmal jährlich den Europäischen Insolvenzrechtstag / European Insolvency & Restructuring Congress (EIRC) in Brüssel.