Berlin (DAV/AG InsoR) „Zombie-Unternehmen“ schaden der Volkswirtschaft. Das so genannte Evergreening – immer wieder verlängerte Kredite an Unternehmen mit geringer oder negativer Rendite – hält diese hochverschuldeten Unternehmen künstlich am Leben. Eine Insolvenzordnung, in der der Überschuldungstatbestand durch die Erwartung entfällt, auch zukünftig (nur) durch Fremdgeld liquide zu sein, kann dann als „Brandbeschleuniger“ wirken. Hier fordert die Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV) auf dem diesjährigen Insolvenzrechtstag, der am Donnerstag offiziell eröffnet wird, eine Nachschärfung.
Die OECD definiert Zombies als Firmen, die mindestens zehn Jahre alt sind und es seit drei Jahren nicht mehr schaffen, ihren Schuldendienst aus operativem Gewinn zu begleichen. Die so genannten Zombie-Unternehmen werden von ihren Gläubigern – häufig ungewollt – künstlich am Leben erhalten. Schwach aufgestellte Banken neigen dazu, Unternehmenskredite auch dann noch zu verlängern, wenn sie sie eigentlich bereits abschreiben müssten. Damit ist es auch Unternehmen, die dauerhaft nicht ertragreich arbeiten, möglich, Liquidität zu nicht marktgerechten Konditionen aufzunehmen. Die Zahl dieser Zombies ist in den letzten Jahren auch in Deutschland deutlich gewachsen. Problematisch ist das besonders deswegen, weil sie der Produktivitätsentwicklung schaden, Kapital und Arbeitskräfte binden und gleichzeitig verhindern, dass neue, innovativere und produktivere Unternehmen in das besetzte und gestützte Marktsegment gehen. „Die Zombifizierung der Unternehmen untergräbt die marktwirtschaftliche Dynamik, die Grundlage unseres Wohlstands ist“, sagt Professor Gunther Schnabl von der Universität Leipzig, der auf dem DIT zum Thema "Evergreening, Zombieunternehmen und volkswirtschaftliche Effektivität" spricht. Eine Insolvenzordnung, in der faktisch der Überschuldungstatbestand nur bei der Erwartung entfällt, auch zukünftig durch Kredite – trotz weiterlaufender operativer Verluste – liquide zu sein, kann wie ein Brandbeschleuniger wirken. Denn solange die Unternehmensleitung es für wahrscheinlich hält, für das laufende und das nächste Jahr ausreichende Liquidität zu haben, ist für sie der Insolvenzgrund der Überschuldung zunächst aufgeschoben. Das Problem: Das Risiko einer fehlerhaften Fortführungsprognose wird auf die zukünftigen Gläubiger übertragen, die dieses Risiko nicht tragen wollen. Schnabl macht deutlich, dass dies nur durch die anhaltende Nullzinspolitik der EZB möglich ist. „Hier fordern wir nachzuschärfen“, betont Rechtsanwalt Jörn Weitzmann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV). „Ausgangspunkt könnten dabei – auch vor dem Hintergrund der in der EU-Richtlinie zum präventiven Restrukturierungsrahmen geforderten Frühwarnsysteme – die guten Erfahrungen mit § 19 InsO in der alten Fassung sein.“ Vor dessen Änderung in Folge der Lehman-Krise musste der Insolvenzantrag gestellt werden, wenn das Eigenkapital die Verbindlichkeiten nicht mehr gedeckt hat. Ein dauerhaftes Weiterwirtschaften mit Verlusten war damit – nach Verlust des Eigenkapitals – bei gesetzeskonformem Verhalten ausgeschlossen. Die Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV) ist ein Zusammenschluss von rund 1.500 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, deren berufliches Interesse sich besonders auf das Insolvenzrecht und die Sanierung von Unternehmen richtet. Die Arbeitsgemeinschaft ist seit November 1999 als Arbeitsgemeinschaft im DAV organisiert. Sie ist bundesweit die größte deutsche Vereinigung von Insolvenzrechts- und Sanierungsexperten. Der Deutsche Insolvenzrechtstag, den die Arbeitsgemeinschaft 2004 ins Leben gerufen hat, ist die größte insolvenzrechtliche Veranstaltung in Europa. Darüber hinaus veranstaltet die Arbeitsgemeinschaft seit 2012 einmal jährlich den Europäischen Insolvenzrechtstag / European Insolvency & Restructuring Congress (EIRC) in Brüssel. |
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